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Report Baden-Baden am 31. August 1998 im Ersten

Die Staatsbank KfW
Ein Fall für die Steuerfahndung

Bericht:

Cornelia Gürtler, Ulrich Neumann

Kamera:

Ingo Manzke, Christel Pullmann, Thomas Schäfer, Volker Steiger

Schnitt:

Sven Dombrowski

Moderation Bernhard Nellessen

Seit Theo Waigel vor Jahren die Zinsabschlagsteuer erfand, lernten viele Deutsche den Reiz von Nachbarländern wie Luxemburg, Liechtenstein oder der Schweiz, ganz neu zu schätzen.
Wer sein Geld hier unterbringt, ist aus dem Schneider. Das gelingt aber kaum, ohne die diskrete Hilfe einer Bank. Private Geldhäuser und Landesbanken gerieten ins Visier der Steuerfahnder. Jetzt steht auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW im Verdacht, Anlegern über eine Tochterfirma dabei zu helfen den Fiskus zu umgehen. Das ist besonders pikant, denn die KfW ist keine Bank wie jede andere. Sie gehört zu 80 % dem Bund und zu 20 % den Ländern. Ihr Verwaltungsrat liest sich wie eine Who-is-who von CDU- und SPD-Ministern. Cornelia Gürtler und Ulrich Neumann berichten.

B E R I C H T:

Frankfurt/Main vor zwölf Wochen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Staatsbank, hat Geburtstag. Früher eine Minibank. Heute ein Bankenriese. Bilanzsumme: 280 Milliarden Mark. Erfolge des Geldhauses: Sie war eine Säule des Wirtschaftswunders der 50-ger Jahre und Garant für den Wiederaufbau in den neuen Ländern. Wirtschafts- und Exportförderung bis heute. Nichts ist schöner als sich selbst zu feiern - ein Heimspiel für Bundesfinanzminister Theo Waigel, zugleich oberster Kontrolleur der Staatsbank.

3.000 Gäste genießen die opulente Selbstdarstellung der KfW. Die Staatsbank hat auch eine Tochter in Amerika. Doch fast keiner kennt ihr Geheimnis. Die KfW International Finance in Wilmington im US-Staat Delaware ist eine Briefkastenfirma.

Dazu der Chef der Steuergewerkschaft.

O-Ton, Dieter Ondracek (Vorsitzender Deutsche Steuergewerkschaft):
»Wilmington im Staate Delaware ist eine verdächtige Adresse. Bei jedem Steuerfahnder klingeln da die Alarmglocken.«

Der Fachanwalt für Steuerrecht.

O-Ton, Dr. Till Müller-Heidelberg (Fachanwalt für Steuerrecht):

»Der Skandal, der hier ist, liegt darin, daß eine Staatsbank dazu Möglichkeiten gibt, staatliche Gesetze zu unterlaufen. Das finde ich eigentlich politisch und moralisch unerträglich.«

Der Kapitalmarktexperte und Jurist.

O-Ton, Axel J. Prümm (»kapitalmarkt-intern«):
»Das Geschäftsgebaren der KfW mit der Dependance in Delaware ist auf der einen Seite höchst pfiffig. Auf der anderen Seite nach meinem Dafürhalten für eine Staatsbank kriminell.«

Delaware - das Liechtenstein der USA - ein Steuerparadies. Die amerikanische Tochter der KfW soll angeblich hier ihren Sitz haben. Aber nur zum Schein: Kein Büro, kein Personal, kein Fax. Also kein Geschäftsbetrieb. Aber von hier aus sollen Anleihen und Schuldver- schreibungen von mehreren Milliarden Mark im Jahr ausgegeben werden. Eine zwielichtige Konstruktion. Warum?

O-Ton, Dr. Erich Diefenbacher (Bankenrechtler):
»Der Zweck ist offensichtlich, die Umgehung der Bestimmungen über die Zinsabschlagsteuer in Deutschland. Wenn der Herausgeber, der Emittent, der Schuldverschreibungen im Ausland seinen Sitz hat, dann untersteht er nicht der deutschen Steuerhoheit und damit entfällt auch die Pflicht zum Abzug von Zinsabschlagsteuer dahin.«

Die KfW in Frankfurt. Sind die Anleihen ihrer Briefkastentochter für deutsche Steuerbürger erhältlich? REPORT hat es ausprobiert - dreimal. Ergebnis: die KfW-Wertpapiere kann man problemlos bei seiner Hausbank erwerben. Bedingung: 250.000 Mark Mindestein- lage. Alles weitere wird dann in der Schweiz abgewickelt.

Zürich: Hier bekommen betuchte Steuerflüchtlinge ihr Wertpapier-Depot. Bei den Partnerbanken werden auch die Zinsen der Delaware-Anleihen gut geschrieben. Die Reise zur einsamen USA-Briefkastenfirma wäre auch ein bißchen viel verlangt. Die diskrete Schweiz liegt schließlich vor der Haustür. Eine Zahlstelle für Zinsen in Deutschland wäre ja auch eine Zumutung, der Steuer wegen. Deshalb der besondere Service der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Zitat aus einem KfW-Anleihe-Prospekt von 1997: »Die Emittentin wird ... eine Zahlstelle (unterhalten) in einer kontinentaleuropäischen Stadt, die, solange in der Bundesrepublik geleistete Zahlungen ... der Zinsabschlagsteuer unterliegen können, außerhalb der Bundesrepublik Deutschland liegen wird.«

Das klingt wie eine Handreichung der KfW zur Steuerhinterziehung. Ist das rechtens?

O-Ton, Dr. Till Müller-Heidelberg (Fachanwalt für Steuerrecht):
»Formell ist es zulässig die Tochtergesellschaft in den USA zu gründen. Formell ist es zulässig, daß diese amerikanische Tochtergesellschaft in der Schweiz für deutsche Anleger Anleiher auflegt. Aber, weil offensichtlich ist, daß hiermit nur den Anlegern der Weg eröffnet werden soll, keine Zinsabschlagsteuer zu zahlen und weil dies natürlich den Sinn hat, wie bei allen deutschen Fluchtgeldern, ob nach Liechtenstein, nach Luxemburg und sonstwo, daß die Anleger letztlich nicht steuerehrlich sind und damit die Zinssteuer sparen, deshalb ist es eine Umgehung.«

Umgehungsgeschäfte sind Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungs- möglichkeiten. Das regelt eindeutig der Paragraph 42 der Abgabenordnung, sozusagen das Grundgesetz des Steuerrechts. Konsequenz: Die angeblich amerikanischen Anleihen sind in Wirklichkeit deutsche Anleihen. Das bedeutet: Die KfW müßte die Zinsabschlagsteuer der Anleger einziehen und an den Fiskus abführen. Wieviel wäre das denn bei den zweistelligen Milliardenanleihen?

O-Ton, Dr. Till Müller-Heidelberg (Fachanwalt für Steuerrecht):
»Das sind 30 Prozent und 30 Prozent von so und soviel Milliarden sind halt Millionen im dreistelligen Bereich.«

»Ist die KfW ein Fall für die Steuerfahndung, für die Staatsanwaltschaft?«

»Also für die Steuerfahndung eigentlich schon zwingend, weil die Steuerfahndung im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft nicht nur Straftaten zu ermitteln hat, sondern auch Steuersachverhalte zu ermitteln hat. Und eine solche Gestaltung wie wir sie hier haben, die so verdächtig ist, die müßte die Steuerfahndung auf den Plan rufen. Für die Staatsanwaltschaft könnte es ein ausreichender Verdacht sein.«

Die Vorstandsmitglieder der Kreditanstalt für Wiederaufbau - die wollte REPORT zu dieser dubiosen Geschäftspraxis interviewen. Doch das Geldhaus für Mittel und Wege lehnte ab. »Man habe andere Prioritäten«, erklärte die Pressesprecherin am Telefon. Statt Interview diverse Faxe: Nichtssagende Antworten, Allgemeinplätze, auch nach Meinung der befragten Experten.

Die Bank hat natürlich einen Verwaltungsrat - das Kontrollorgan des Geldhauses und das ist hochkarätig besetzt mit einem halben Dutzend Kabinettsmitgliedern - u.a. Wirtschaftsminister Günter Rexrodt, Außenminister Klaus Kinkel, Umweltministerin Angela Merkel. Außerdem: ein CDU-Ministerpräsident, mehrere SPD-Landesminister, der DGB-Chef und: der oberste Kontrollchef dieser Staatsbank.

O-Ton, Theo Waigel (Bundesfinanzminister):
»Der Bund kann mit der langjährigen, beständigen und innovativen Arbeit der KfW mehr als zufrieden sein.«

Natürlich wollte REPORT auch Bundesfinanzminister Waigel interviewen: »Keine Zeit«, war die Antwort. Heute dann ein Fax auf unsere Fragen: Der Vorwurf, die KfW fördere mit den Delaware-Anleihen die Umgehung deutscher Steuern, sei - Zitat »nicht begründet und nicht haltbar.«

Starke Zweifel sind angebracht. Denn REPORT hat insgesamt sechs Experten befragt: zwei Steuerrechtler, einen Bankexperten, einen Fachmann des Kapitalmarktes und einen Vertreter der Steuerfahndung.

Das Urteil aller Experten über die Bank:

1. Die KfW-Delaware Anleihen sind bestens geeignet, die Zinsabschlagsteuer zu hinterziehen.

2. Gegen die Staatsbank besteht der Verdacht der Anstiftung oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Und was wird jetzt passieren? Wahrscheinlich gar nichts!

O-Ton, Dr. Erich Diefenbacher (Bankenrechtler):
»Die personelle Zusammensetzung des Verwaltungsrats wird da wahrscheinlich doch zu einem Interessenskonflikt führen, da nicht nur der Bundesfinanzminister, sondern mehrere Länderminister im Verwaltungsrat sind, die dann gegen sich selbst ermitteln müßten.«

 

© Südwestrundfunk

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